In einer Zeit, in der Planungsprozesse wöchentlich verändert und angepasst werden – an das Virus, an die Mutationen, an die gesellschaftlichen Realitäten, in einer Zeit also, in der das so genannte Zeitmanagement selbst jenseits jeglicher Planung angelangt scheint und in der ein ständig mutierendes Virus in einer sich ständig verändernden Welt von sich ständig verändernden Subjekten wahrgenommen wird, landet eine weitere Ausgabe der flugschrift mit dem Titel Planbarkeit von Monika Rinck.
Oder auch (und wie es im Text heißt):
„Planen wir das Beste. Warten, was passiert. Das ist alles noch nicht zu Ende erzählt, weswegen im Rahmen der Konventionen des Genres eigentlich alles Mögliche passieren kann, sagt das sprechende Schaf. Geht durch das Tor. Es ist immer wieder neu.“
Wir meinen vielleicht auf der flugschrift ein angefangenes Spiel zu erkennen oder ein zurückgelassenes, womöglich ein gescheitertes – wie auch immer; jeder Satz kommt ein wenig verschoben daher, und die zu sichtenden oder zu deutenden Bilder auf den nahen Feldern scheinen die Korrelationen auch leicht zu verlieren, wenn wir sie eingehend betrachten, aber ist das wirklich so oder nur eine Frage, die den Lauf unserer Wahrnehmung ändert? Und eine weitere Frage, die sich dabei aufdrängt: Sind wir als Subjekte bloß jene erinnerten Verhaltensstrukturen, die wir zu finden glauben, wenn wir den Ereignissen hinterherschauen? Womöglich Wölfe im Schafspelz oder erzählende Schafe, die Schafe zählen, damit diese besser einschlafen, die wiederum von den Wölfen beobachtet werden, die uns davon erzählen, damit wir besser schlafen?
Oder auch (und weiter im Text):
„Wir werden die starke Erzählung verabschieden müssen, wiederholt das Schaf. Wir werden die geschlossene Form verabschieden müssen, insistiert das Schaf. Wir werden uns in offene Formen einüben müssen, appelliert das Schaf. Wir werden andere Erzählungen entwerfen müssen, fordert das Schaf. Die Idee, dass die Dinge wachsen, sich vermehren werden – wird bald schon eine andere, eine fatale Geschichte ergeben, mutmaßt das Schaf. Die Begegnungen werden Themen haben, die noch nicht zu benennen sind, weiß das Schaf. Ich werde es nicht wissen, ist sich das Schaf sicher. Keiner und keine wird es wissen, warnt das Schaf. Deshalb ist es wichtig, dass die Kunst sich dieser Zeiten annimmt – und einübt in das, was unübersichtlich und offen ist, gibt sich das Schaf überzeugt.“
Monika Rinck lebt in Berlin und seit jüngstem auch in Wien. Seit 1998 diverse Veröffentlichungen. So erschien 1999 NEUES VON DER PHASENFRONT bei bbooks und 2001 das kommentierte Listengedicht BEGRIFFSSTUDIO in der edition sutstein. Dem folgten etliche Essay- und Lyrikbände im kookbooks Verlag, zum Beispiel AH, DAS LOVE-DING, HONIGPROTOKOLLE und RISIKO & IDIOTIE. Im Jahr 2019 erschien ALLE TÜREN, Gedichte, im selben Verlag. Außerdem das Lesebuch CHAMPAGNER FÜR DIE PFERDE im S. Fischer Verlag. 2017 erhielt Monika Rinck den Ernst-Jandl-Preis. Sie übersetzt gemeinsam mit Orsolya Kalász aus dem Ungarischen. Seit Oktober 2020 lehrt sie als Professorin am Institut für Sprachkunst der Universität für Angewandte Kunst in Wien. www.begriffsstudio.de