„Gladiolen heißen so, / weil sie uns locken / mit Parolen, lautlos.“
Die neue flugschrift der Autorin Margret Kreidl bespielt diesmal ein doppeltes Format und spielt auch künstlerisch damit: Dreizeiler und Malereien, Wasserfarben und Tusche.
Sämtliche Dreizeiler sind dem im Entstehen befindlichen Textkorpus Durch den Honig ziehen entnommen, dabei stets einem angerissenen Bedeutungs-Horizont zugeneigt, gleichzeitig vom Festen (Rhythmus) der drei Zeilen bestimmt! Die „geflügelten Worte“ darin kommen, wie es heißt, „von weit her“ und sind, wenn sie bei uns ankommen, in einer Drehbewegung begriffen: im Moment, wo sie in unserem Kopf auf uns treffen, also ihren Horizont auf unseren wirken lassen, nehmen sie eine andere Abzweigung. Der Titel verweist darauf: nein, hier wird nicht durch den Dreck oder durch den Kakao gezogen, sondern durch den Honig. Im Kopf aber operiert die eigentliche – die eingeübte, konditionierte – Redewendung, die mit der neuen „kollidiert“. Dieses semantische Funkenschlagen wird durch die Wasserfarben- und Tuschemalerein der Autorin (Nach Mitternacht 1-10) in Beziehung gesetzt. Auch hier, nahstehende Erwartungen werden aufgerufen, beispielsweise dass Kalligraphien „das gesammelte Bewustsein einer Person in einem Augenblick“ zum Ausdruck bringen. Aber ist es nicht eher so, dass wir nur allzu leicht in die ausgelegten Fallstricke der eigenen Erwartungen (und also unserer Erinnerungen) fallen? Damit wir dem Gesagten womöglich nicht im Wege stehen? Diesbezüglich heißt es einmal: „Ich werde dich durch den Honig ziehen, / bis du die Poesie vergisst, bis das Gerede / von der inneren Blume verstummt ist.“
Diese flugschrift wird vom Rhythmus der Faltungen und der Zeilenumbrüche getragen. Darüberhinaus akzentuiert ein einzelner Dreizeiler das Geschehen – wirkt auf alles Gesehene und Gelesene ungesehen von der anderen Seite aus.
Statement der Autorin zu ihren Malereien, dabei auf den „Weg des Pinsels“ von Shitao Bezug nehmend – einem der berühmtesten chinesischen Maler und Schrift künstler um 1700.
„Es geht mir nicht darum, ein Ideal zu erfüllen – zum Beispiel ein Bild in einem Pinselzug oder ausschließlich mit Tusche zu malen, kostbares Papier und Materialien zu verwenden. Pinsel, Farbe und Tusche, das DIN-A5 Papier kaufe ich bei LIBRO unter dem Titel Schulbedarf. Mein Weg des Pinsels ist eine Entspannungs- und Anspannungsübung nach meinem Tagwerk, das ein Abend- und Nachtwerk ist, das Schreiben, das meine Lebensaufgabe ist. Hat das Malen etwas mit meinem Schreiben zu tun? Erwarte ich Antworten vom Pinsel? Habe ich eine Pinselsprache? Ist das nicht zu privat? Mein Schreiben ist seit vielen Jahren öffentlich. Bilder veröffentliche ich zum ersten Mal.“
Margret Kreidl geboren 1964 in Salzburg, lebt als freie Schriftstellerin in Wien. Lyrik, Prosa, Textinstallationen, Theaterstücke und Hörspiele. Aufführungen, zuletzt: Dankbare Frauen. Komödie, Tel Aviv 2022; Veröffentlichungen, zuletzt: Mehr Frauen als Antworten. Gedichte mit Fußnoten, Edition Korrespondenzen 2023; Wien, Schwedenplatz: polyphon, hg. gem. mit Lucas Cejpek, Sonderzahl Verlag 2023.
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